Wir leben in einer Gesellschaft, in der viele Menschen die Meinung vertreten, dass wir endlich mit dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg abschließen sollten, da wir uns nicht schuldig für Verbrechen fühlen sollten, die wir nicht begangen haben. Außerdem sei der Anti-Semitismus „doch gar nicht aktuell“.
Gerade in den letzten Wochen und Monaten ist die Debatte um den Anti-Semitismus von neuem entfacht und viele verschiedene Ereignisse haben auf nationaler und internationaler Ebene dazu beigetragen.
Im März 2018 wurde die Holocaust-Überlebende Mireille Knoll in ihrer Wohnung getötet. Die 85-jährige ist 1942 mit ihrer Mutter vor der "Razzia vom Vélodrome d'Hiver" in Paris, bei der 13.000 Juden gefangen genommen und zum Großteil nach Auschwitz deportiert wurden, geflohen. Bei dieser Tat ging man direkt von einem antisemitischen Hintergrund aus. Ein Jahr zuvor wurde ebenfalls ein Mitglied der jüdischen Gemeinschaft ermordet, jedoch wurde der Fall Sarah Halimi zunächst nur als Gewaltverbrechen eingeordnet und erst im Februar 2018 wurde ihrer Ermordung nach starker Kritik ein antisemitisches Motiv zugesprochen. Über die Fälle Knoll und Halimi wurde unter anderem von Zeit Online1, Welt2, Spiegel Online3 und Jüdische Allgemeine4 berichtet.
Auch der Echo 2018 entpuppte sich als Zeichen der Ignoranz gegenüber antisemitischen Inhalten. So wurden Kollegah und Farid Bang für ein Album ausgezeichnet, welches Textzeilen wie „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ und „Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow“ beinhaltet. Mit dieser Echoverleihung wird gezeigt, dass Rassismus selbst von einem Preis wie dem Echo offen toleriert wird. Viele der ausgezeichneten Künstler distanzierten sich daraufhin von dem Preis und gaben ihre Echos zurück, um „Verantwortungs- und Geschmacklosigkeit aller verantwortlichen Beteiligten“, so Klaus Voormann, mit Unverständnis zu begegnen. Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI) Florian Drücke versprach, eine umfassende Analyse und Erneuerung des Preisvergabesystems, um den höchsten deutschen Musikpreis aus dem schlechten Licht zu rücken. Auch die Tatsache, dass der Echo am Holocaustgedenktag an Kollegah und Farid Bang für das Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ vergeben wurde, facht die Diskussion neu an.
Antisemitismus ist jedoch nicht immer so laut und auffällig wie in den zuvor genannten Beispielen. Schon in der Grundschule werden jüdische Kinder auf ihre Religion reduziert und wegen ihr gemobbt und runtergemacht. An den weiterführenden Schulen müssen jüdische Kinder unter anderem Hitler-Witze und antisemitische Bemerkungen ertragen. Auf den Straßen kommt es immer öfter zu gewalttätigen Übergriffen, zum Beispiel wenn jüdische Gemeindemitglieder sich mit Kippa in der Öffentlichkeit zeigen, so berichtet die Jüdische Allgemeine5.
Der Bevölkerung fehlt es an Zivilcourage. Man will sich bloß nicht in Gefahr bringen, jedoch wird dabei auch nicht beachtet, dass man durch das Einschreiten in antisemitische Konflikte und Auseinandersetzungen einigen Menschen wirklich helfen kann. Es ist mittlerweile schon so weit gekommen, dass es Antisemitismusbeauftragte der Regierung gibt. Man selber wünscht sich doch auch, dass einem geholfen wird, wenn man verbal oder körperlich bedroht oder verletzt wird. Es ist also an uns, einzuschreiten, wenn wir sehen, dass unsere Mitmenschen in der Klemme stecken. Schon klare Worte gegen das Übertreten einer Grenze, wie die von Campino auf der Echo-Verleihung, sind wichtig!
Die Existenz des Antisemitismus kann man nicht leugnen. Weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart. Wir dürfen nie vergessen, zu was Menschen fähig sind, wenn sie hassen oder Angst haben. Nur wir können daran arbeiten und gemeinsam dafür sorgen, dass der Antisemitismus bald der Vergangenheit angehört.
Anna, 2018
1
www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-03/antisemitismus-holocaust-ueberlebende-mord-verdaechtige-festnahme, 14.05.2018.
2
3
15.05.2018.4
www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28889, 14.05.2018.
5
www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/31268, 14.05.2018.