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Krakau 2024

„Man kann sich anhand der Bilder nicht vorstellen, wie enorm groß das Gelände ist. Einige werden das Bild des Tores mit der Bahnstrecke kennen. Dahinter liegt ein Areal mit Abwasserkanälen, Ruinen, Zäunen und endlos langen Wegen. Kein einziger Baum und keine Hügel. Von den meisten Baracken waren nur noch die Schornsteine übrig. Eine der Baracken war noch gut erhalten und wir konnten sie besichtigen. Um dorthin zu gelangen, mussten wir über Holzplanken laufen, die für Besucher über den Boden ausgelegt wurden, um nicht im Schlamm einzusinken. In der Baracke selbst gab es mehrere Gänge. In jedem Gang waren auf beiden Seiten mehrstöckige, jeweils ca. einen halben Meter hohe Schlafkammern angebracht. In einer dieser Kammern schliefen damals 6-8 Leute. Uns wurde erklärt, dass in einer Baracke mehr als 500 Menschen ‚gelebt‘ haben. Um das in Relation zu setzen: unsere gesamte Schulgemeinde hätte sich in weniger als zwei dieser Baracken zwängen müssen. Wenn wir gemeinsam einen Gottesdienst auf dem Schulhof feiern, sieht man, wie viele wir sind. Es wäre so, als würde man uns alle in vier unserer Klassenräume stecken.“

Anna, Klasse 12, Februar 2024

Ich muss diese Erfahrung weitergeben

Und auf einmal stehen wir in den Räumen, in denen vor so vielen Jahren so viele unschuldige Menschen eine zu hohe Anzahl an Sekunden verbringen mussten.

Wir stehen mit 25 Leuten hier drin und der Raum ist gefüllt. Wir stehen in der Gaskammer mit dem Wissen, dass hier bis zu 1200 Menschen auf einmal drin waren und ihre letzten Atemzüge in Angst, Verzweiflung, Enge taten.

Es ist ein komisches Gefühl - so unbenennbar, so plötzlich, so anhaltend.

Und auf einmal sitzen wir vor der Zeitzeugin, die ihren Ärmel hochschiebt. Wir sehen ihre Häftlingsnummer in schwarz auf weißer Haut. Sie hat ihre Kindheit in Birkenau als Versuchskaninchen von Dr. Mengele verbracht.

Und auf einmal wird das vor so langer Zeit passierte Verbrechen, das so suspekt und unrealistisch scheint, wahr, real, greifbar.

Dann stehen wir in den Kinderbaracken. Überall kalte Steine, ein lockerer Boden mit festen Stolperfallen - ein Massenlager für die Kinder ohne vernünftige Schlafmöglichkeit, ohne irgendetwas - nur Hass, verbaut in den Baracken. Ich stelle mir vor, wie die Kinder zusammengekauert hier liegen müssen, neben Leichen und ohne Platz. Ohne Wasser, ohne Nähe, ohne Alles. Wie sie wegrennen, sich in die Ecke kauern, schreien, weinen, sterben.Aus Angst, Verzweiflung, Enge.

Und auf einmal stehen wir wieder am Flughafen und uns geht es gut. Wir haben alles, was wir brauchen und unsere Probleme erscheinen mir auf einmal nichtig.

Annika, Jahrgangsstufe 12 über die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz Februar 2020

Es gibt nichts Neues, oder?

Naja, man könnte meinen: was will man heutzutage, wenn man „Auschwitz" hört, noch großartig Neues über dieses Thema erzählen oder berichten? Denn alles, was man berichtet, kann man nicht mehr als „neu" bezeichnen. Doch gerade heute ist es wichtig, weiterhin über die gesamte Thematik zu sprechen, da sie in unserer Zeit noch sehr aktuell ist, wenn man sich z.B. Gedanken über Ausschließungen sozialer, religiöser oder ethnischer Gruppierungen macht.

Wir haben in diesem Zeitraum zum einen das Stammlager von Auschwitz und zum anderen das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht. Zudem hatten wir die Gelegenheit, ein Zeitzeugengespräch mit einer Frau zu führen, die selbst als Kleinkind in diesem Vernichtungslager um ihr Leben gekämpft hat.

Bei unserem ersten Besuch Auschwitz befassten wir uns zunächst mit dem Stammlager, welches in einem sehr guten Zustand erhalten ist. Allerdings muss ich sagen, fiel es mir persönlich bereits zu Beginn sehr schwer, durch das Tor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei" zu laufen. Denn bei mir bestand sofort der Hintergedanke, dass wir als Gruppe dies jederzeit wieder verlassen konnten, während dies den damaligen "Gefangenen" nicht möglich gewesen ist. Im weiteren Verlauf haben wir schließlich verschiedene Blöcke, also die damals von den Gefangenen bewohnten Häuser, besucht. Sie wurden als kleine, für sich eigene Museen umgestaltet.

So erwarteten uns einige Dokumente, Briefe von Gefangenen, diverse Bilder, Statuen und vor allem persönliche, zurückgebliebene Gegenstände dieser Gefangenen. Dazu zählen diverse Prothesen, Gehstützen, Koffer, Kleidung, Schuhe, Geschirr und, was mich am meisten emotional mitgenommen hat, Haare von denen, die den Besuch einer Gaskammer nicht überlebt haben.

Was uns außerdem erwartete, war eine ungefähr menschengroße Urne, die mit Asche der Verstorbenen gefüllt ist.

Weiterhin besuchten wir Block 11, den so genannten „Todesblock", denn wer diesen betrat, entkam meist nicht mehr. In diesem Block bekamen wir einen kleinen Raum zu sehen, in dem damals Urteile, ähnlich wie bei einem Gerichtsprozess, ausgesprochen wurden, die in den meisten Fällen den Tod eines Gefangenen bedeuteten. Im Keller dieses Blockes waren diverse Zellen, wie z.B. Stehbunker oder Dunkelkammern, in denen bereits viele Gefangene elendig verstorben sind, nachdem sie tage- und nächtelang darin ausharren mussten.

Aus Respekt und Anerkennung gegenüber den im Holocaust Verstorbenen, zu denen ungefähr sechs Millionen gehörten, befindet sich in einem weiteren Block das so sogenannte „Buch der Namen". Mit diesem Buch wird versucht, möglichst alle Namen der Verstorbenen in schriftlicher und persönlicher Form darzustellen. Dieses Buch umfasst bisher ungefähr vier Millionen Namen.

Am nächsten Tag besuchten wir Auschwitz-Birkenau. Schon auf dem Weg vom Parkplatz zum „Todestor“ fiel mir das Atmen sehr schwer. Allein die gewaltige Größe dieses Tores flößte einem Schrecken ein und ließ ansatzweise vermuten, welche Größe dieses Vernichtungslager besitzt. Umso tiefer saß der Schreck, als wir den Wachturm des Tores bestiegen und diese fast endlos scheinende Fläche gesehen haben, die ca. 40 km² umfasst!

Nach der endgültigen Befreiung der Gefangenen im Jahre 1945 sind jedoch nicht mehr alle Ruinen stehengeblieben. Viele Baracken und die Krematorien wurden zerstört. Von den einzelnen Baracken blieben nur noch Kamine übrig, wobei einer besonders heraussticht. Dieser gehörte zu der Baracke, in der Dr. Mengele seine „medizinischen“ Experimente an Frauen, Männern und bevorzugt an Kindern durchführte, die diese oft nicht überlebten.

Die Baracken, die noch besichtigt werden konnten, zeigten die damals herrschenden, unmenschlichen Lebensbedingungen. Dort standen Holzpritschen, auf denen manchmal bis zu sieben oder mehr Menschen schlafen mussten, wobei so viele Menschen an allem Denkbaren erkrankt sind und vielleicht auch elendig in solch einem Bett im Beisein der anderen verstorben sind. Eine weitere Baracke hatte „Sanitäranlagen", die hauptsächlich aus einem sehr langen Steinblock mit zahlreichen Löchern, der die Toiletten darstellen sollte, bestanden. Infolgedessen gab es in keiner denkbaren Situation auch nur einen Ansatz an Privatsphäre für diese Menschen.

An der Rampe schließlich, also der Teil der Schienen in dem Lager, an dem die Gefangenen aus einem Viehwagon in ihr sicheres Verderben steigen mussten, stand noch ein Wagon. Dieser Wagon hatte keinerlei Fenster. Darin stand nur ein Eimer für Fäkalien. Dies war schon ein anfängliches Gefängnis für ungefähr 100 oder mehr Menschen pro Transport. Während dieser Wagontransporte nach Auschwitz, die teilweise eine Dauer von zehn Tagen betrugen, gab es keinerlei Möglichkeit der Nahrungsaufnahme. Durch die fehlenden Fenster wurde dementsprechend erst beim Öffnen dieses Wagons in Auschwitz bekannt, wie viele Menschen diese Fahrt wirklich überlebt hatten. Die Überlebenden wurden schließlich auf der Rampe bei der „Selektion“ in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine dieser Gruppen bekam die Chance, schnellstmöglich an die Arbeit zu gehen, während die andere Gruppe ohne zu zögern auf direktem Weg in die Gaskammern geschickt wurde. Durch die noch erhaltenen Ruinen dieser Krematorien, konnte man genau sehen, wie diese Menschen im Untergrund in eine Umkleide gingen, ihre Besitztümer und Kleider ablegten und schließlich, ungewiss darüber, was wirklich mit ihnen geschehen würde, in die Gaskammer geschickt wurden.

Ebenfalls ins Ungewisse sind diejenigen gegangen, die die Selektion überlebt haben. Denn bevor sie wirklich arbeiten konnten, mussten sie in eine sogenannte „Sauna“. Dort wurden sie registriert, restliche nicht erlaubte Besitztümer, wie Familienbilder, wurden ihnen weggenommen. Infolgedessen liefen sie, nachdem sie ihre Kleider ablegen mussten, über einen langen Gang in eine Dusche, bekamen ihre Haare abrasiert, erhielten eine Uniform und wurden sofort zur Arbeit geschickt. Als wir durch diese Sauna liefen, wurden im letzten Raum die aufgefundenen Bilder der Verstorbenen ausgestellt. Diese Bilder zeigten glückliche Zeiten der Familien, in denen keiner es wage, daran zu denken, was mit all diesen Menschen einmal geschehen würde.

Ich finde es wichtig, an solch einer Besichtigung teilzunehmen. Man bekommt Eindrücke über die Abgründe der Menschlichkeit. Man sieht, was ein einziger Mensch durch die Macht der Autorität anrichten kann. Natürlich überkommen einen alle denkbaren Gefühle. Angefangen von Trauer zu Wut, bis hin zu einem kleinen Schimmer Hoffnung, der dann innerhalb kürzester Zeit wieder zugrunde gerichtet wird. Man kann so viel aus solch einer Erfahrung für sein eigenes Leben mitnehmen, da man sich darüber Gedanken macht, was man in seiner heutigen Gesellschaft schon durch Kleinigkeiten ändern kann, damit solch ein Höllenspiel mit der menschlichen Existenz nicht erneut stattfinden kann.

Meggie Bergmann, Jahrgangsstufe 12 über die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz 07.02.-11.02.2019

Ich muss diese Erfahrung weitergeben

Als wir in der Schule von der Möglichkeit erfuhren, die KZ-Gedenkstätte Auschwitz in Polen besichtigen zu können, dachte ich nur „Ja warum nicht dahin fahren. Dann bin ich auch in Polen gewesen und kann mir noch ein Land abhaken.

“ Auschwitz I...um ehrlich zu sein, wusste ich noch nicht mal, dass es mehr als ein Lager in Auschwitz gibt, aber es gibt anscheinend sogar drei.

Ich bekomme das Gerät, mit dessen Hilfe die Führung für uns auf Kopfhörer übertragen wird, damit an diesem Ort nicht so laut gesprochen werden muss, und wir gehen raus auf das Gelände. Wir bleiben stehen, unser Guide erzählt uns von einigen Dingen, die sich hier abspielten. Was ich jedoch aufnehme ist etwas anderes:

„ARBEIT MACHT FREI“ – so der Bogen über dem „Eingang“. Darunter zwei Frauen, welche für ein Selfie posieren. Unfassbar was manche Menschen sich denken. Viel schlimmer noch: Sie denken wohl gar nicht.

Es sieht alles aus, wie man es sich vorgestellt hat. Alles geordnet, die Häuser sind regelmäßig und geordnet aneinandergereiht, kein Zeichen der Individualität ist vorhanden. Die Atmosphäre ist düster, noch ist es Mittag, aber man fühlt sich bedrückt wie tief in der Nacht. Man merkt direkt, dass dieser Ort Macht und absolute Kontrolle ausstrahlt.

Nachdem uns das meiste von draußen gezeigt wurde, gehen wir wir in eines der vielen Häuser Innen wurde alles umgestaltet zu einer Ausstellung, aber ein „Museums-Feeling“ hat es nicht. Ein Museum ist im Gegensatz hierzu viel zu harmlos. Man sieht Bilder und Dokumente von früher, von Menschen, die registriert wurden, von den Tötungsbefehlen. Und im Hinterkopf immer die Aufschrift „ARBEIT MACHT FREI“. Mit jedem weiteren Bild, Dokument und Ausstellungsstück wird mir klar, dass die Aufschrift nicht lügt. Sie schufteten bis sie starben.

Wir gehen in das Haus, das an die Kinderopfer aus dem Holocaust erinnert. An der Wand sieht man Zeichnungen, von den Kindern damals, welche von einer Künstlerin auf die Wand übertragen wurden. Man erkennt alle möglichen Intentionen der Bilder. Ein Kind hatte Hoffnung, das andere Kind will seine Eltern stolz machen, ein weiteres Kind ist traurig und ein anderes Kind kocht vor Wut und sehnt sich nach Rache. All diese Emotionen spürt man bis unter die Haut, allein nur vom Betrachten der Zeichnungen. Ich glaube keiner will wissen, wie viel schlimmer es dann für die Kinder gewesen sein muss, die alles tatsächlich miterlebt haben.

Nach der Führung laufen wir wieder unter dem Bogen mit der Aufschrift „ARBEIT MACHT FREI“ durch, von diesen Worten habe ich erst einmal genug.

Am nächsten Tag sind wir in Auschwitz-Birkenau. Auschwitz II. Es schneit und es ist ziemlich kalt, trotz Winterjacke, Schal, Pullover, T-Shirt, Winterschuhen und zwei Paar Socken. Damals war es oft noch viel kälter und die Menschen waren nicht annähernd so dicht bekleidet wie ich. Es muss die Hölle gewesen sein.

Das erste was mir am Vernichtungslager auffällt: ich sehe kein Ende.

Ich schaue nach vorne, rechts, links. Überall verlaufen die Wege bis in den Horizont, es ist keine Abgrenzung, kein Zaun oder keine Mauer zu sehen. Der Guide sagt, es sind etwa 140 Hektar. Ein Hektar sind 10.000 Quadratmeter. 140 Hektar… und die Nazis wollten die Anlage noch weiter ausbauen.

Wir besuchen einige Baracken, eine war nur für Menschen mit Krankheiten und Infektionen. Die Baracke für Quarantäne. Andere Baracken waren jeweils nur für Frauen, nur für Männer, nur für Kinder. Dass kleine Kinder getrennt von den Eltern leben mussten, ist unfassbar. Mir kommt es so vor, als hätten die SS-Offiziere kein Sinn für Menschlichkeit gehabt. Weitere Baracken sind auch noch in der Ferne zu sehen, man glaubt dieses Lager sei unendlich groß, bis wir tatsächlich an eine Abgrenzung kommen nahe dem Denkmal an der „Rampe“, die Endstation der Züge, und somit auch die Endstation für die Menschen damals. Wir sind so weit gelaufen, man kann den Eingang nicht mehr sehen. So weit mussten manche Menschen rennen, um überhaupt zu versuchen aus dem Vernichtungslager zu flüchten. Vor allem noch in dieser Kälte ist es einem unvorstellbar.

Und immer kommt mir die Aufschrift „ARBEIT MACHT FREI“ in den Sinn. Gerade hier merkt man, wie lächerlich diese Aussage eigentlich ist.

Man hat in den Lagern viel gelernt. Viel aus der Vergangenheit und viel für die Zukunft. Trotz Frust und teilweise auch Wut, ist man einfach nur froh, nicht unter solchen Umständen gelebt zu haben. Nach dem Besuch der Gedenkstätten ist mir als Schüler die Wichtigkeit der Vergangenheit viel bewusster geworden und ich weiß, ich muss diese Erfahrung weitergeben!

Min Gyu, Jg. Q2, 2018

 

Meine eigene Familie war betroffen Zu wissen, dass die eigene Familie in Auschwitz war ist etwas anderes, als die Namen in Dokumenten stehen zu sehen. Man ist direkt an dem Ort, an dem sie untergebracht und getötet wurden. Man kann die Ausmaße der Anlagen und des Grauens erkennen. Man entwickelt ein viel besseres Bewusstsein für die damaligen Geschehnisse, wenn man sich die Lager anschaut und dabei die Erzählungen der Zeitzeugen und der Verwandten im Hinterkopf hat.

Anna, Jg. Q2, 2018